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Leseprobe:
Bertas letzte Ehre Bauer Friedrich Pachel war mit seinem Karren unterwegs, der mit Milchkannen beladen war. Wie fast jeden Morgen brachte er die gefüllten Kannen zur Milchbank mitten im Ort. Nicht, dass dies unbedingt eine Arbeit für den Großbauern war, aber er machte es gern, trafen dort doch morgens auch noch andere ein, und da konnten Neuigkeiten des Dorfes ausgetauscht werden. Dies war für die Anwesenden ergiebiger als die Tageszeitung. Das Milchauto kam pünktlich, folglich war es sicher, immer jemanden anzutreffen. Die Unterhaltung zog sich an Tagen, wenn nicht so viel Arbeit anstand, oft in die Länge, und wenn dann die Chefs nach Hause kamen, war die Stallarbeit schon getan. So auch an diesem Morgen. Friedrich stand mit drei anderen Herren zusammen
und wollte sich grade verabschieden, da sah er Karl Wegner um die Ecke
kommen. Er erkannte ihn von Weitem, denn Karl hatte ein steifes Bein aus
dem letzten Krieg behalten und sein Gang war beschwerlich. Nun war
Karl im Dorf Mädchen für alles. Er war der Gemeindediener
geworden. Bescheiden verrichtete er alle ihm aufgetragenen Arbeiten, und
wenn er es nicht schaffen konnte, half ihm seine Frau. Sie war Küsterin
und für die Sauberhaltung der Kirche zuständig. Hierbei half
wiederum Karl, besonders beim Morgen- und Abendgeläut. Dies
sollte morgens um sechs und abends um achtzehn Uhr stattfinden. Meistens
stimmte die Zeit auch und wenn nicht, sagten die Leute, die es merkten: Als Karl näher zu der Männergruppe kam, rief Friedrich ihn
zu sich. Er war nämlich auch Bürgermeister und hatte einen Auftrag
zu vergeben. Die eine Hecke am Friedhof musste gekürzt werden und
Karl lauschte den Ausführungen seines Vorgesetzten. Plötzlich
kam aus dem gegenüberliegenden kleinen Haus die Witwe Emma Bauer
herausgelaufen. Sie wedelte mit den Armen und rief immer wieder: Die Männer sahen sich an und Karl fragte: Welche Berta ist tot? Die anderen hatten noch nichts von einem Todesfall im Ort gehört und nun sollte Berta tot sein. Im Dorf gab es mehrere Bertas, aber alle lebten doch noch, es musste ganz plötzlich passiert ein. Egal, es wird sich aufklären, meinte Karl. Aber er war ja nun schon in der Nähe der Kirche, und es war kurz vor neun, da würde er gleich die Totenglocke läuten. Ja, mach das mal, wir werden schon hören, was passiert
ist, meinte Friedrich in seiner Eigenschaft als Bürgermeister.
Die Männer begaben sich auf den Heimweg und Karl stieg die Stufen
zum Kirchturm hinauf, um die Glocke zu läuten. Nun gab es eine wirkliche Neuigkeit im Dorf: Der alte Karl hat die Ziege von der Emma ausgeläutet! Gelächter und Spott trafen nicht nur den Karl, auch die anderen Bauern, die nicht nachgefragt hatten, mussten einiges an Häme einstecken. Noch viele Jahre lang fragte man sich im Ort, wenn es um neun läutete: Ob es wieder eine Ziege ist? *** Drei Ausreißer Anton Kluge lebte mit seiner Familie auf einem Gutshof in Pommern. Sein
kleines Haus stand abseits des herrschaftlichen Gutshauses, nicht weit
entfernt von den Wirtschaftsgebäuden und den umfangreichen Stallungen.
Es war fast ein kleines Dorf, all die Häuser, in denen die Menschen
wohnten, die auf dem Gutshof arbeiteten. Zu jeder Unterkunft gehörten
auch ein Garten und ein Stück Land, dass die Arbeiter zur Selbstversorgung
bewirtschaften konnten. Anton kannte nichts von der großen Welt. Er war hier geboren und
hatte auch in dem Ort seine Frau gefunden. Sie arbeitete vorwiegend im
Gutshaus, half bei der Wäsche und bei Feiern in der Küche. Im Laufe der Jahre war Antons Familie größer geworden. So
baute er den kleinen Stall aus und fütterte ein Schwein. Er baute
auf seinem Feld ein wenig Getreide an und einige Reihen Rüben und
mit den Abfällen aus dem Garten konnte er sein Schwein mästen.
Der Frühling kam und Anton suchte zwei kleine Schweinchen für seinen Stall. Da las seine Frau in der Zeitung, dass in einem Ort in der Nähe ein Bauer Ferkel verkaufen wollte. Sofort ging sie mit der Nachricht zu Anton. Der wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und machte sich nach Feierabend auf den Weg. Auf seinem Handwagen hatte er eine Kiste befestigt, denn er wollte die Tiere gleich mit nach Hause nehmen. Er hoffte, dass sie noch nicht anderweitig verkauft worden waren. Der Weg war weit, und Anton kam ins Schwitzten, obwohl es Frühling war. So kam er schließlich auf dem Bauernhof an. Ja, die Ferkel sind noch da, aber es sind drei Stück,
sagte der Bauer. Er wollte alle zusammen verkaufen. Verkaufte er nur zwei,
was sollte er dann mit dem dritten Tier anstellen? In Gedanken versunken machte er sich auf den Heimweg. Der Weg führte
ein Stück bergauf und dann bog er in einen Wald. Hier war es kühl
und Anton beschloss, eine Pause zu machen. Der Waldboden war mit Moos
bedeckt, er legte sich hin, schaute in die Blätter der Bäume-
und plötzlich fand er seinen Kauf gar nicht mehr so schlimm und schlief
über diesen Gedanken ein. Von all dem bemerkte Anton nichts. Nach der harten Arbeit des Tages und der Wanderung mit dem Handwagen war er erschöpft und schlief tief und fest. Als er erwachte, war die Sonne fast untergegangen. Er setzte sich auf, rieb sich die Augen und konnte es nicht glauben, die Kiste war leer und nirgends ein Ferkel. Zwischen den Bäumen war es fast dunkel. Trotzdem lief er hin und her, lockte und rief Koseworte, die sowieso kein Schwein verstanden hätte. Er konnte nichts machen, nahm die Deichsel seines Handwagens und zog schweren Herzens Richtung Heimat. Voll Sorge dachte er an seine Frau. Wie sollte er es ihr erklären, dass das ganze mühsam zusammen gesparte Geld war weg und kein Schweinchen in seinem Kasten auf dem Handwagen. Nach dem ersten großen Schreck, und nachdem sie alles erfahren hatte, tröstete die Frau ihren Mann. Sie fand, die Ferkel müssen doch irgendwo sein. Wir haben sie durch die Anzeige in der Zeitung bekommen, also soll Anton in der Zeitung auch eine Anzeige aufgeben und anfragen, ob jemand Ferkel eingefangen hat. Sie ließ nicht locker und Anton musste am nächsten Tag zur Stadt. Dort angekommen, wartete er geduldig, bis er an der Reihe war und sein Anliegen vorbringen konnte. Als er zu sprechen begann, ließ der Reporter ihn stehen und rannte hinter dem letzten Kunden her. Der hatte nämlich eine Anzeige aufgegeben, weil er ein Ferkel eingefangen hatte und nun den Besitzer suchte. Das Missgeschick sprach sich herum, und im Laufe der nächsten Tage bekam Anton auch die übrigen gekauften Schweinchen zurück. In den Sommermonaten durften die Tiere ins Freie. Als es Herbst wurde, bestellte Anton den Schlachter und das dickste Schwein wurde zuerst geschlachtet. Die anderen folgten bei Bedarf im Laufe des Winters. Ja, es war eng geworden in dem kleinen Stall, aber es gibt eben mehr geduldige Tiere, nicht nur Schafe. Bis zu ihrem Ende hatten die drei Ferkel aber ein wunderbares Schweineleben bei Anton gehabt.
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