E in kräftiger Wind fegte die
letzten dunklen Wolken vom Sommerhimmel und zerzauste Eriks Haar.
Es hatte die ganze Nacht geregnet. Mit dem Zug war Erik gestern nach
Dalvik gefahren, wo er bei Tante Svenja seine Sommerferien verbringen
wollte. Das Dorf lag inmitten grüner Wiesen auf einem kleinen
Hügel. Im letzten Haus von Dalvik wohnte der alte Ansgar, von
dem man sich im Ort erzählte, dass er Dinge sah, die sonst kein
Mensch sehen konnte. Auch wusste er wunderliche Geschichten zu erzählen
von mächtigen Zauberern, fleißigen Zwergen, mürrischen
Kobolden und fröhlichen Elfen. Am merkwürdigsten aber war,
dass selbst die ältesten Dorfbewohner Ansgar nur als weißhaarigen
Mann mit langem, ebenfallso weißem, Bart kannten. Niemand konnte
sagen wie alt er tatsächlich war und Ansgar selbst hüllte
sich stets in Schweigen, wenn jemand nach seinem Alter fragte. Niemand
konnte sich daran erinnern, dass er jemals seinen Geburtstag gefeiert
hätte. Die Kinder liebten Ansgar wegen seiner spannenden Geschichten,
während die Erwachsenen für seine herrlichen Schnitzereien
schwärmten. Es gab keinen Haushalt in Dalvik, der nicht eine
Figur, eine Schale oder einen Kerzenleuchter besaß, die unter
Ansgars geschickten Händen entstanden waren.
Erik hatte inzwischen das kleine windschiefe Haus erreicht und
klopfte an die Tür.
Komm herein, es ist offen, antwortete eine angenehme
tiefe Stimme. Zögernd trat der Junge durch die niedrige Tür
und fand sich in einer kleinen dämmrigen Diele wieder. Dahinter
lag ein nicht viel größeres Wohnzimmer.
Hallo, ist hier jemand?, fragte Erik schüchtern.
Eine Seitentür wurde geöffnet und Ansgar trat in die Diele
um seinen Gast zu begrüßen.
Du bist also der Held, der schon zweimal Merlins Reich vor
dem Untergang gerettet hat.
Wo
woher wissen
Sie das? Erik war verwirrt.
Doch dann fielen ihm Svenjas Worte vom letzten Sommer wieder ein,
als sie ihm die Kristallkugel brachte, die er im Garten verloren
hatte. Seine Tante wusste Bescheid über seine Reise in Merlins
Reich, weil Ansgar ihr davon erzählt hatte. Aber wie konnte
das sein. Sollte der kleine Mann mit den gütig blickenden blauen
Augen, der kaum größer war als Erik selbst, tatsächlich
hellsehen können?
Keine Sorge, ich bin kein Zauberer, lächelte Ansgar.
du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Es war schon immer
so, dass alte Leute über manche Dinge besser Bescheid wissen
als junge.
Sie haben mit meiner Tante über mich gesprochen.
So wie Erik das sagte, klang es vorwurfsvoll. Doch Ansgar klopfte
ihm auf die Schulter und antwortete mit einem Augenzwinkern. Deine
Tante hat mir gern zugehört, da ich offensichtlich mehr über
ihren Neffen wusste als sie selbst. Du schreibst ihr ja nur zu Weihnachten.
Das ist ein bisschen wenig, findest du nicht?
Ja schon, gestand Erik. Ansgar hatte einen wunden Punkt
getroffen. Briefe schreiben war tatsächlich nicht sein Ding.
Das ließ er lieber von seiner Mutter erledigen. Manchmal telefonierte
Svenja mit ihm, doch dann wusste er meist nicht, was er sagen sollte.
Nicht so schlimm, deine Tante hat sich nicht beschwert. Ich
glaube, sie versteht dich besser, als du denkst. Mit diesen
Worten schob Ansgar seinen Gast vor sich her ins Wohnzimmer.
|